Sigmund Aschrott

Sigmund Aschrott 1900. Foto: Stadtarchiv Kassel E2 Nr. 15

Unternehmer und Stadtteilplaner: Gründer des Vorderen Westens, 1826 – 1915

Sigmund Aschrott wurde 1826 in Hochheim am Main geboren, seine Eltern betrieben vor Ort ein Weingut und verschiedene Ländereien sowie ein Leinengeschäft in Kassel. In Frankfurt am Main machte er eine Lehre als Kaufmann. Seine Eltern waren zwischenzeitlich nach Kassel umgezogen, er folgte ihnen und übernahm 1844 den väterlichen Leinenbetrieb, womit er die Kasseler Textilindustrie erfolgreich machte. Den Betrieb wandelte er in einen Verlag um, erwirtschaftete Gewinne und investierte damit in die Ausstattung sowie in den Kauf von Ländereien. 1855 heiratete er Anna Hertz und gemeinsam bekamen sie fünf Kinder: Felix, Julie, Hedwig, Olga und Marie.

In Kassel wurde Aschrott vor allem wegen seiner städtebaulichen Fähigkeiten bekannt. Er war es, der den heutigen Vorderen Westen kaufte, plante und bebauen ließ. So entstand durch ihn ein gesamtes Stadtviertel, das bis heute das Stadtbild prägt. Die damalige sogenannte „Friedrich-Wilhelm-Stadt“ bestand aus den Dörfern Wehlheiden, Kirchditmold und Wahlershausen. Aschrott bebaute sie auf eigene Kosten mit Straßen- und Platz- und Grünanlagen, Kanalisation und Baumbepflanzungen, die für eine hohe bürgerliche Wohnqualität sorgen. Sein Ziel war es dabei, Kassel großstädtisches und monumentales Aussehen zu geben. Die Längsstraßen sollten zum Herkules ausgerichtet sein, was dem Stadtteil einen absolutistischen Hintergrund verleiht. Von vielen Orten, vor allem den Häusern aus, ist der Herkules zu sehen. Die Möglichkeit, als Untertan den Herrscher direkt zu sehen, ist damit Teil der Geschichte des Vorderen Westens. Die Querstraßen wurden diagonal ausgerichtet. Dies passte einerseits zur gängigen architektonischen Mode und andererseits löste es das Problem der vielen Hanglagen. Die breiteste dieser Querstraßen sollte Aschrottstraße heißen, die Annastraße wurde nach Aschrotts Frau benannt.

Die erste Bauperiode vom Ständeplatz bis zur Querallee geriet oft ins Stocken, weil diejenigen, die Grundstücke im Viertel besaßen, oft den Verkauf ihres Landes verweigerten, um einen größtmöglichen Gewinn zu machen. Auch die Planung einer Pferdeeisenbahn und eines Durchgangsbahnhofes nahe des heutigen Bahnhofs Wilhelmshöhe wurde verweigert und blockiert. Zusätzlich war Aschrott viel Skepsis und Antisemitismus ausgesetzt.

Aschrott war ein angesehener Bürger Kassels, denn er stiftete er viele Denkmäler, z.B. den Aschrottbrunnen vor dem Rathaus, der leider von den Nazis zerstört wurde und an dessen Stelle heute ein Mahnmal steht. Die Grundstücke für die Stadthalle und die katholische Rosenkranzkirche (heute: St. Maria) sowie die evangelische Adventskirche stiftete er aus seinem eigenen Vermögen. Aus dem Nachlass wurden das Aschrott-Altersheim und andere Gemeinwohl-Einrichtungen finanziert und unterstützt.

Obwohl die Stadt Kassel dem engagierten Industriellen und Immobilienunternehmer viel zu verdanken hatte, bot sie ihm kein Ehrenamt an, was einer der Gründe war, warum Sigmund Aschrott im hohen Alter nach Berlin umsiedelte, wo er 1907 zum Geheimen Kommerzienrat ernannt wurde. Dort wurde auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee begraben. Sein Mausoleum diente jüdischen Verfolgten während des Zweiten Weltkrieges als Versteck. 

Heute zählt der Vordere Westen zu den wichtigsten Stadtteilen Kassels. Dies liegt auch daran, dass das Zentrum im Zweiten Weltkrieg stark und teilweise vollständig zerstört wurde und der Vordere Westen sich aufgrund Aschrotts Leistung durch bauliche Schönheit, hohe Lebensqualität und wirtschaftliche Strategie auszeichnet.

Text: Elena Padva

Quellen und weiterführende Informationen:
Stadt Kassel: https://www.kassel.de/buerger/stadtgeschichte/erinnerungskultur/sigmund-aschrott.php (Stand: 28.4.2021).
Kassel-West e.V. https://www.vorderer-westen.net/geschichte/prominente-mitbuergerinnen/sigmund-aschrott/ (Stand: 28.4.2021).
Krause-Vilmar, Dietfried: Sigmund Aschrott, in: Kassel Lexikon Band 1, hrsg. von der Stadt Kassel und Vera Lasch, Kassel 2009, S. 42.