Sara Nussbaum

Sara Nussbaum 1938. Foto: Stadtarchiv E2 Nr. 624

Krankenschwester und Kasseler Ehrenbürgerin, 1868 – 1956

„Ich will in dieser Stadt leben, wo mein Mann und meine Tochter begraben sind!“

Sara Nussbaum wurde in Merzhausen (Kreis Ziegenhain) als Sara Rothschild, Tochter des Lehrers Jeisel Rothschild und seiner Frau Lenchen Jaffa, geboren.
1891 heiratete sie den Möbelhändler Rudolf Nussbaum aus Kassel. Mit ihren drei Kindern lebten sie in ihrem Wohn- und Geschäftshaus in der Schäfergasse 28/30 in der Altstadt. Das Ehepaar Nussbaum engagierte sich in hohem Maße für Kassels Gesellschaft und in der Jüdischen Gemeinde, wo Rudolf drei Jahrzehnte lang als Gemeindeältester wirkte.

Sara Nussbaum unterstützte ihren Mann beim Aufbau der DRK-Sanitätseinheit „Kolonne Nussbaum“ und ließ sich zur Rotkreuzschwester ausbilden. Bis zu ihrer Deportation arbeitete sie ehrenamtlich im Israelitischen Altersheim und im Israelischen Waisenhaus.

Schon am 28. April 1933 wurde Sara Nussbaum von der SA verhaftet und kam für zwei Wochen in Polizeigewahrsam. Ihr Mann versuchte dies zu verhindern und schritt bei der Verhaftung ein, erlitt dabei aber eine schwere Kopfverletzung, an deren Folgen er eineinhalb Jahre später verstarb.

Am 7. September 1942 wurde die 74-jährige Sara Nussbaum nach Theresienstadt deportiert. Sie trat die Fahrt in ihrer Rotkreuztracht an und meldete sich gleich nach ihrer Ankunft freiwillig für die Arbeit in der Typhusabteilung der Krankenstation. Die Kranken lagen auf dem Boden und erhielten keinerlei Medikamente. Für viele Mithäftlinge konnte sie den Abtransport in die Gaskammern von Auschwitz verhinderten, indem sie diese als Typhus‐Kranke angab.

Sara Nussbaum begleitete tausende Todkranke, bis sie im Februar 1945 so erschöpft war, dass sie sich für einen Transport meldete, der statt wie üblich, nicht in ein Vernichtungslager, sondern in ein Schweizer Erholungsheim gehen sollte. Während die Häftlinge dies nur für eine weitere Lüge und Schikane hielten, kam der Zug tatsächlich in Corbeyrier nahe dem Genfer See an.

Als einzige der über tausend Überlebenden dieses Transports entschied sich Sara Nussbaum für die Rückkehr nach Deutschland, „nach Hause“. In Kassel lebte sie bis zu ihrem Tode unter ärmlichen Bedingungen in der Heckerstraße 20. Zeitlebens blieben alle Anträge auf Entschädigungszahlungen erfolglos.

Oberbürgermeister Lauritz Lauritzen verlieh ihr am 19. Juni 1956 im Namen der Stadt Kassel als erster Frau den Titel der Ehrenbürgerin. Mit den Worten: „Möge der liebe Gott unsere Stadt Kassel behüten und bewahren!“ nahm sie die Urkunde an. Am 13. Dezember desselben Jahres verstarb sie. Sie liegt auf dem Jüdischen Friedhof in Bettenhausen neben ihrem Ehemann begraben. Nach Sara Nussbaum sind ein städtischer Kindergarten und ein Platz im Kasseler Stadtteil Kirchditmold benannt. Das „Sara Nussbaum Zentrum für Jüdisches Leben“, eine Kultur-, Bildungs- und Begegnungsstätte in Kassel, widmete sich mit seinem Namen ebenfalls der mutigen und tatkräftigen Ehrenbürgerin.

Text: Elena Padva

Quellen und weiterführende Informationen:
Belke-Herwig, Anne: 11 Frauen 11 Jahrhunderte, Kassel 2013.
Domeij-Gaul, Monica: unveröffentlichtes Manuskript über das Leben Sara Nussbaums, Kassel.
Stadt Kassel: https://www.kassel.de/buerger/rathaus_und_politik/rund-ums-rathaus/ehrungen-und-preise/ehrenbuerger/ehrenbuerger/sara-nussbaum.php (Stand: 22.4.2021).